Die Tränen des Mondes

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Nur eine Geschichte…

„Opa, Opa!“ dröhnt es durch das ganze Haus.
Draußen ist es schon dunkel geworden. Schnee bedeckt die gesamte Umgebung. Man kann weder Wege, noch Straßen erkennen. Der Mond wirft sein Licht auf die gesamte Ebene und lässt diese schimmern wie ein Meer aus weißen Wolken inmitten der Dunkelheit der Nacht.

Hier und da stechen Bäume aus der gleichmäßigen Decke hervor. Die Baumkronen neigen sich im immer stärker werdenden Wind.

Inmitten dieser strahlenden Landschaft versteckt sich eine kleine Holzhütte. Das Holz ist morsch von den vielen Wintern, die die kleine Hütte schon erlebt hatte. An allen Ecken des Hauses sind bereits Reparaturen durchgeführt worden. Bretter, ausrangierte Tischplatten und Regalböden zieren die Außenwände.

Der leichte Schimmer von Kerzenschein funkelt in den Fenstern des maroden Gebäudes. 
„Erzählst du mir eine Geschichte?“ erschallt es wieder.

„Bitteee.“, ein kleines Mädchen von vielleicht 7 Jahren blickt voller Erwartung zu einen stämmigen in eine Vielzahl von Decken gehüllten Mann auf, der auf einen kleinen Sessel in der äußersten Ecke der kleinen Stube hockt.

In der Mitte des Raumes thront ein verbeulter Ofen. Seine Tür lässt sich schon lange nicht mehr schließen und doch strahlt dieser alte Ofen eine wohltuende Wärme aus, die den winzigen Raum auszufüllen vermag.
Im Inneren knistert ein kleines Feuer, dessen Flammen langsam das trockne Holz verschlingen. Ein halb durchgetretener Teppich liegt zwischen dem zerschlissenen Sessel und den ramponierten Ofen.
Die Wände des Raumes sind verziert mit Fellen, alten Landkarten und kupfernen Werkzeugen.
Im ganzen Raum liegt ein leichter Duft von Muskat, alten Büchern und verwitterten Holz in der Luft.

Grummelnd richtet sich die Gestalt im Sessel auf: „Eine Geschichte sagst du?“

„Ja, bitte, bitte.“, lächelt das kleine Mädchen zurück.

Der Mann überlegte einen Moment: „Und was für eine Art von Geschichte möchtest du hören? Wie wäre es mit einer Abenteuergeschichte über geheimnisvolle Legenden, sagenumwobene Gegenden, einen versteckten Schatz und mystische Kreaturen?“.

Das Mädchen starrt den alten Mann vor sich bewundernd an. Gebannt von der Vorstellung welche Geschichte Sie hören würde, hielt sie den Atem an. Stammelnd versucht Sie nach Worten zu ringen und zu rufen: „Ohja, bitte, bitte, Opa!“. Doch in Ihrem Übermut bringt Sie lediglich ein abgehacktes: „J-a…“ heraus.

Ein leichtes Grinsen zeichnete sich in den Gesichtszügen des rüstigen Mannes ab, der sich tiefer in seinen Sessel sinken lässt: „Also gut…“

Die Töchter des Mondes

In einem fernen Land erzählte man sich einst eine Legende.

Am Anfang gab es nur das Licht.

Im ewigen Raum sehnte es sich nach einer Bestimmung, einer Aufgabe die es zu erfüllen vermag, nach einem Sinn und Zweck zu existieren. Und so formte es ein kugelförmiges Gebilde in Mitten dieses leeren Raumes und erschuf somit den ersten Planeten.
Angetan von dessen Schönheit überschüttete das Licht seine Schöpfung mit Wasser und erschuf somit Ozeane, Meere, Flüsse, Seen und alle anderen Gewässer.
In Mitten des Planeten pflanzte er einen Samen, die Saat allen Lebens. Deren Wurzeln sich durch den ganzen Planeten zogen und aus dem sämtliche Bäume, Gräser, Pilze und Pflanzen wuchsen und die kahle Erde fruchtbar machte.
Um das Gleichgewicht zu wahren formte das Licht aus Wasser und Erde alle Kreaturen und Tiere. Somit stellte es sicher, dass sich der Planet selbstständig entwickeln und ein ewiger Kreislauf des Lebens gewahrt werden kann.
Zuletzt erschuf er Wächter, unsere Vorfahren. Das Licht betraute diese mit der Aufgabe, eine Ordnung in dieser Welt herzustellen und diese zu bewahren.

Von der Schönheit seiner Schöpfung geblendet machte das Licht immer weiter und erschuf unzählige weitere Planeten. Doch war es dabei blind für die Auswirkung die sein Handeln mit sich brachte. Denn je mehr es erschuf desto weniger seines Glanzes erfüllte den zuvor erleuchteten Raum und so entstand hinter jedem einzelnen Planeten den es erschuf auch ein Schatten… Die Dunkelheit fing langsam an zu wachsen und allmählich den Raum zu füllen.

So vergingen viele Jahrtausende und das Licht, welches verträumt seine Geschöpfe beobachte, ahnte nichts von der sich immer weiter ausbreitenden Bedrohung.

Eines seiner Geschöpfe hatte es dem Licht besonders angetan.
Ein junges Mädchen mit langen Haaren, die ständig seinen Glanz reflektierten, sobald das Licht in ihre Nähe kam.
So war es dem Licht nicht möglich zu bestimmen, welche Haarfarbe dieses Mädchen eigentlich hatte. Ihre strahlend weißen Flügel bewegten sich leicht im Wind.
Das Licht beobachtete dieses Mädchen schon von Geburt an. Gern denkt es daran zurück, wie neugierig es umhergeflackert ist in diesem Augenblick. Es war so aufgeregt, dass es das kleine Neugeborene mit seinen akribischen Tänzen die ganze Zeit über geblendet hatte.
Stets war das Licht an der Seite des Mädchens gewesen und sah ihr aufmerksam zu. Gern ärgerte es das Mädchen, in dem es durch die Bäume huschte, so dass es durch die Baumkronen schimmerte. Aber es gab noch so viele andere tolle Dinge zu erleben und zu entdecken. Ob es die Frösche waren die das Mädchen als Kind begeistert beobachtet hatte oder Ihre tollpatschigen Versuche diese einzufangen. Das Licht folgte Ihr überall hin und begleitete Sie auf Schritt und Tritt.

Die Zeit verging wie im Flug und ehe das Licht sich versah, war das Mädchen zu einer erwachsenen Frau herangewachsen. Doch von Ihrer Entdeckungslust und Wissbegier hatte sie nichts verloren. Ganz im Gegenteil. Ständig mit dem Kopf in den Wolken sprang Sie über die Wiesen und Felder, spielte mit dem Licht im Wald verstecken und kümmerte sich um die vielen Tiere um sie herum.

Es kam, wie es kommen musste. Und so verlor das Licht sein Herz an das Mädchen und beging einen schrecklichen Fehler.

Angezogen von der strahlenden Schönheit des Mädchens, warf das Licht seine göttliche Hülle ab und nahm die Form eines Mannes an. Komprimiert auf die Größe eines Ucalim, hatte es so endlich eine Chance richtig bei Ihr zu sein.
Das Mädchen erschrak, als plötzlich ein stattlicher Jüngling mit golden, schimmernden Haar und Flügel, die aus einem Material bestanden, welches Sie zuvor noch nie gesehen hatte, Ihr entgegen trat.
Zögerlich reichte er ihr seine Hand, als plötzlich der Wind durch seine Haare fuhr und feinste Lichtpartikel im Wind tänzeln lies. Verzaubert schaute das Mädchen den umherspringenden Funken hinterher. Neugierig fing sie an den Fremden zu mustern. Sie war dabei keineswegs zurückhaltend. Eh er sich versehen konnte kam sie mit ihrem Gesicht ganz nah und strich Ihn die Haare über der Stirn nach oben. Diese Reaktion hatte er nicht erwartet. Verlegen versuchte er nach unten zu sehen. Doch dem Blick des Mädchens entgangen seine plötzlich knallroten Wangen nicht. Trotz allem ließ sie sich nicht beirren und untersuchte ihn weiter. Sie streichelte Ihm sanft über seine Flügel. Am liebsten wär er jetzt im Boden versunken, doch dazu bekam er keine Chance. Mit einem Ruck packte das Mädchen den Jungen am Arm und riss Ihn mit sich. Freude strahlend sprang sie über die Wiese, während er sich vor Scham kaum bewegen konnte. Sie zeigte Ihnen all die schönen Dinge die Sie kannte. Jede Ecke und jeden Winkel. Die Beiden verbrachten fortan viel Zeit zusammen und verliebten sich schlussendlich in einander.

Blind vor Glück sah das Licht die nahende Dunkelheit nicht, die unbeobachtet an der göttlichen Hülle zu nagen begann.

Es vergingen einige Jahre und das glückliche Paar erwartete inzwischen ein Kind. Die junge Frau versteckte eine kleine Kugel unter Ihrem Kleid, in der sich scheinbar ein ebenso wissbegieriges Kind, wie seine Mutter versteckte. Der bereits jetzt schon stolze Vater hatte heute etwas ganz besonderes vor. Er wollte in den Wald gehen und Holz sammeln, um damit den kleinen Kindchen ein Bett zu bauen. Also machte er sich auf den Weg. Natürlich ließ er es sich nicht nehmen sich vorher von seiner Frau und seinem zukünftigen Kind zu verabschieden.
Mit Stolz geschwollener Brust machte er sich auf den Weg.

Es dauerte nicht allzu lang, da kam er auf eine kleine Lichtung.
Irgendetwas schien hier nicht zu stimmen, etwas war seltsam. Er hockte sich hin und ließ seine Hand durch das Gras gleiten.
Das Gras an dieser Stelle war trocken, ganz anders als jenes, welches hier in der Gegend üblicherweise wächst.
Als er die Hand hob bemerkte er, dass diese mit einer Substanz überseht war. Er konnte nicht feststellen was es war, aber sie besaß einen beißenden Geruch, den er bis zu diesen Moment nicht wahrgenommen hatte. Je mehr er sich darauf konzentrierte, desto mehr stellten sich seine Federn auf. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Der beißende Geruch, er war plötzlich überall.
Erschrocken weichte er zurück und er stolperte über einen Stein.
Als er die Augen öffnete fing er im Angesicht dessen, was er nun sah an zu schaudern.
Über Ihn thronte nicht der Himmel den er kannte und lieben gelernt hatte. Nein. Über Ihn waberte etwas Schwarzes. Etwas Unbegreifliches. Etwas, was er noch nie zuvor gesehen hatte. Dunkelheit…

In diesem Moment begriff er, was er getan hatte. Er hatte alles aus den Augen verloren. Er war blind. Er hatte dies alles zu verantworten und er musste auf der Stelle etwas dagegen tun. Doch nicht, bevor er nicht seine Frau und sein zukünftiges Kind geholt hat.

Er rannte so schnell er konnte, bis er die kleine Hütte im Wald erreicht hatte, in der die kleine Familie lebte. Der Mann rief nach seiner Geliebten, doch konnte er keine Antwort von Ihr vernehmen. Ohne weitere Umschweife riss er die Tür der Hütte auf und schrie. Keine Reaktion. Er stürmte weiter in das kleine Zimmer am Ende des Flurs, das Zimmer seiner Frau. Hier war Sie immer am liebsten und beobachtete aus dem Fenster die kleinen Vögel, während Sie wissbegierig in Büchern blätterte. Doch diesmal war es anders, anstatt seiner Frau fand er umgestoßene Regale und zerrissene Seiten im Zimmer verstreut vor. In der Mitte des Raumes erspähte er einen riesigen roten Fleck und Schleifspuren die in Richtung des Fensters führten. Wie versteinert blickte er in die Richtung des Fensters, an dem seine Frau immer saß. Alles was er sah, war Dunkelheit.

In der Finsternis konnte man ein breites und fieses Grinsen erkennen, welches ihn zu verhöhnen versuchte.
Voller Wut rannte der Mann nach draußen und sprang mit einem Satz in die Luft. Seine Flügel weit ausgebreitet raste er in den Himmel, um sich einen Überblick zu verschaffen. Doch alles was er fand war die immer weiter zunehmende Dunkelheit.